Futures

CMOs vor dem Aus? Im Gegenteil – ihre Stunde schlägt jetzt.

22.05.25
Impulse, Meinungen und Einblicke von Branchenexpert:innen
Up/Front
In Zukunft müssen CMOs KI-Expert:innen und kulturelle Kenner:innen ihrer Zielgruppe sein. Damit gewinnen sie in den nächsten fünf Jahren weiter an Bedeutung, sagt die Content- und KI-Marketerin Lucy Ferguson
Smart Notes: CMOs der Zukunft
  • Fokus verlagern: Weg von kurzfristigen Erfolgen – 40–60 % des Marketingbudgets sollten in den Markenaufbau fließen, um die Wirkung von Medienkampagnen zu maximieren.
  • KI-Kompetenz aufbauen: Entwicklt intern KI-Expertise und positioniert euch als KI-Vordenker:innen im Vorstand, um euren strategischen Einfluss zu stärken.
  • Kulturelle Relevanz erkennen: Etabliert ein Framework, um kulturelle Trends frühzeitig zu identifizieren und gezielt darauf zu reagieren.
  • Markenstärke nutzen: Eine starke Marke erhöht die Preismacht – und macht Unternehmen resilienter.

Key Takeaways:Bis 2029 werden die erfolgreichsten CMOs KI-gestützte Markenstrateg:innen sein – mit einem ausgewogenen Fokus auf langfristige Markenstärke, kulturelle Relevanz in Echtzeit und wirtschaftliche Performance.

In meinen fünf Jahren bei der Trend-Insights-Plattform Think with Google konnte ich beobachten, wie sich Märkte und Rollen verändern – besonders die des CMO. Kaum eine Position ist so im Wandel, kaum eine so instabil besetzt. CMOs hatten noch nie so wenig Zeit 1 für ihren Job wie heute.

Der Druck, schnelle Ergebnisse zu liefern, ist hoch und zwingt CMOs dazu, Quick Wins den Vorrang zu geben. Dadurch rücken kurzfristige Gewinne in den Mittelpunkt, während weniger Budget in den langfristigen Markenaufbau fließt.

Dennoch sehe ich die Entwicklung der CMO-Rolle positiv. Unter dem Druck, mehr mit weniger zu erreichen, werden CMOs zu KI-Expert:innen im Topmanagement. Durch ihre Expertise in der Nutzung von KI zur umfangreichen Zielgruppenansprache und ihre Vernetzung mit der Rechts- und der Technologieabteilung wächst ihr Einfluss in der C-Suite und sie werden zu wichtigen Vorbildern für ihre Managementkolleg:innen.

AI-generated image of a revolving door entrance

1Die durchschnittliche Verweildauer eines CMOs bei den Top-Werbetreibenden in den USA beträgt nur 39 Monate. B2B-CMOs bleiben mit 4,4 Jahren etwas länger im Amt als ihre B2C-Kolleg:innen (4,1 Jahre). Der Druck, schnell Ergebnisse zu liefern, macht langfristigen Markenaufbau oft zur Nebensache.

2Laura Jones, CMO von Instacart, zeigt, wie sich mit First-Party-Daten und KI-gestützten Lösungen nicht nur smartere Kampagnen umsetzen lassen, sondern auch das Geschäftsmodell transformieren lässt – etwa mit sprachgesteuerter Suche und der KI-Kampagne „Ask Instacart“.

Die CMO von Instacart, Laura Jones, hat zum Beispiel kürzlich gezeigt, wie First-Party-Daten in Kombination mit KI-gestützten Lösungen die Wachstumsstrategie des Unternehmens grundlegend verändern können. 2. Das Ergebnis waren smartere Kundenempfehlungen, sprachbasierte Suchfunktionen und ein einzelhandelgetriebenes Mediennetzwerk, das Markenpartnern wie Nestlé ein dreistelliges Wachstum ermöglichte.

Die klügsten und agilsten Unternehmen, mit denen ich gearbeitet habe, haben erkannt, dass der Markenaufbau essenziell ist – und dass die Fähigkeit von CMOs, die Marke zu pflegen und auszubauen, die zentrale strategische Kompetenz ist. Ein Beispiel hierfür ist Domino’s Pizza: Durch das gleichzeitige Verfolgen von Brand Building und Performance-Marketing konnte der Pizzalieferant sein Ergebnis allein auf YouTube um 45 % steigern 3.

3Sarah Barron, CMO von Domino’s UK & Ireland, hat erkannt: Wenn Brand-Awareness- und Performance-Kampagnen auf YouTube parallel laufen, steigt der Gesamterfolg deutlich. In ihrem Fall führte das zu einem 45 % höheren ROI allein auf der Videoplattform.

„Der Markenaufbau ist essenziell – und die Fähigkeit von CMOs, die Marke zu pflegen und auszubauen, die zentrale strategische Kompetenz.“
– Lucy Ferguson
Google report - The effectiveness equation

4Gerade einmal 40 % der Marketingverantwortlichen haben klare Ziele zur Kampagneneffektivität. Nur 20 % stimmen sich zu Messmethoden ab. Ohne nachweisbare Wirkung verlieren CMOs Budget – und gefährden damit langfristig das Unternehmenswachstum.

Der Erfolg diese Strategie wird durch eine kürzlich veröffentlichte Studie von Google untermauert. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Effektivität von Medienkampagnen dann am höchsten ist, wenn 40 bis 60 % des Marketingbudgets in den Markenaufbau fließen 4.  Zudem sind starke Marken der Studie zufolge resistenter gegen Preiserhöhungen. Ist der Markenwert hoch, können Unternehmen bis zu doppelt so hohe Preise verlangen. Unternehmen, die auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, weiter in den Aufbau ihrer Marke investieren, erholen sich schneller und wirkungsvoller.

Im Jahr 2029 wird es beim Markenaufbau weniger um Quartalspläne und Kampagnen gehen. Brand Building wird vielmehr ein kontinuierlicher, adaptiver Prozess sein, unterstützt durch KI und Echtzeiteinblicke sowie kulturelle Resonanz. Die Aufgabe von CMOs wird dann nicht mehr darin bestehen, fixe Narrative zu managen, sondern Marken zu führen, die sich anpassen und zusammen mit ihrer Zielgruppe verändern.

Beispiele hierfür sind die britische National Lottery, die sich das Meme „I won’t tell you I won the lottery, there will be signs“ (zu Deutsch: ich werde keinem verraten, wenn ich im Lotto gewinne, aber man wird es merken) zunutze gemacht hat, oder das sich immer wieder verändernde Logo von Patreon 5. Sie zeigen, dass CMOs den kulturellen Kontext ihrer Marke verstehen und wissen müssen, wann und wie sie reagieren und die Marke weiterentwickeln.

Fünf Jahre – da ist ja noch viel Zeit, denkt ihr jetzt vielleicht. Doch die Arbeit beginnt bereits. CMOs, die die Herzen und Geldbeutel ihrer Zielgruppe gewinnen wollen, müssen künftig KI-generierte Einblicke mit Markenstärke und kultureller Relevanz verbinden. So werden sie auch weiterhin eine wichtige Rolle in der C-Suite spielen.

5 Das anpassbare Logosystem von Patreon zeigt, worauf es künftig ankommt: Marken müssen mit ihrer Zielgruppe mitwachsen. Starre Identitäten verlieren an Relevanz – wer kulturelle Signale erkennt und flexibel reagiert, bleibt im Gespräch.

Lucy Ferguson ist freiberufliche Senior Content- und KI-Marketerin. Zu ihren Kunden zählen Google, BBC, Channel 4, Disney, Warner Bros, Bacardi und Seven-C3.

Frontify Futures beleuchtet, wie Effektivität, Innovation und Skalierbarkeit das Markenwachstum von morgen prägen – mit Insights von führenden CMOs, kreativen Vordenker:innen und Trendexpert:innen.